Der Michel in Hamburg - Was ein Adventskranz erzählen kann 1
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Der Michel in Hamburg – Was ein Adventskranz erzählen kann

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St. Michaelis, der Michel in Hamburg, ist das Wahrzeichen der Hansestadt Hamburg und eine der fünf Hauptkirchen. Dorthin zog es mich zuerst bei meiner Städtereise Hamburg, zumal unser Hotel, das Motel One am Michel, natürlich sehr nah dran liegt.

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Der Michel in Hamburg im Advent

Nicht ahnen konnte ich da, dass dieser Besuch etwas ganz Besonderes werden würde, ein absolutes Highlight. Obwohl ich zuerst auf den Turm gestiegen bin, beginne ich doch mit diesem Erlebnis im Kirchenraum des Michel.

Die Kirche St. Michaelis – der Michel

Michel: das ist der Spitzname der evangelischen St. Michaeliskirche, eine der schönsten Barockkirchen Deutschlands. Nach einer wechselvollen Geschichte – zwischen 1647 und 1912 dreimal erbaut und zweimal komplett zerstört – gehört der Michel in Hamburg bis heute zu den beeindruckendsten Gebäuden der Hansestadt.

Wo ist sie zu finden? Hauptkirche St. Michaelis, Englische Planke 1, Hamburg

Nach dem Betreten der Kirche durch einen seitlichen Eingang musste ich erstmal stehenbleiben und staunen. Ein weiter Traum in Weiß und Gold nahm mich auf und sofort gefangen. Das musst du erstmal wirken lassen, was du hier siehst.

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Der Hamburger Michel und sein Adventskranz

Wie in vielen Kirchen ist der Grundriss einem Kreuz nachempfunden, allerdings mit eher gleichlangen Wegen. Ein bisschen wurde ich an die Frauenkirche in Dresden erinnert, der Kirchenraum des Michel erscheint mir aber größer.

Eine besondere Begegnung

Der Hamburger Michel im Advent – das ist schon eine besondere Geschichte. Und woher kenne ich die? Das ist meine besondere Begegnung im Michel.

Angesprochen von einem, wie sich später herausstellte, ehemaligen Pastor und Kenner der Michaeliskirche, ließ ich mich auf ein Gespräch ein (eigentlich lasse ich mich eher nicht ansprechen) und wurde belohnt. Belohnt durch Geschichten vom und über den Michel und belohnt durch eine ganz private Führung. Wunderbar, einzigartig und so passend zu dieser Zeit. Alles begann mit dem Adventskranz.

Der Adventskranz im Michel – was er erzählen kann

Schon beim Eintritt wurde mein Blick gleich gefangen von dem Adventskranz. Groß und dicht gebunden hängt er über dem Wegkreuz, bestückt mit weißen und roten Kerzen. Aber was ist das? Da sind ja viel mehr Kerzen auf dem Kranz als die vier, die du normalerweise am Adventskranz hast. Wie kommt das? Was soll das? Mein Gegenüber erzählt es mir.

Eine wahre Geschichte von der Erfindung des Adventskranzes

Hier in Hamburg liegen tatsächlich die Ursprünge der Adventskranz-Tradition, und zwar im 19. Jahrhundert. Das sogenannte Rauhe Haus war eine 1833 von Johann Hinrich Wichern gegründete Stiftung. In einem alten Bauernhaus weitab vor den Toren Hamburgs schuf er eine Heimat für verwahrloste und verwaiste Kinder aus den Hamburger Elendsvierteln. Bereits im ersten Jahr betreute er 14 Kinder und Jugendliche, die auf den Straßen Hunger, Gewalt und Armut ausgesetzt waren.

Eine Kerze für jeden Tag bis Heiligabend

Die Kinder hätten ihn ständig gefragt, wann denn nun endlich Weihnachten sei, so die Chronik des Rauhen Hauses. Um ihre Frage zu beantworten, aber auch um ihnen das Zählen beizubringen, brachte er auf einem hölzernen Wagenrad so viele Kerzen an, wie es Tage vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend waren. Vier weiße für jeden Sonntag und rote für die Werktage.

(Das war dann wohl auch so etwas wie der erste Adventskalender, denke ich, wie ich dir auch einen vorgestellt habe.)

Den Kranz hängte Wichern im Betsaal des Waisenhauses auf. Er hatte 19 kleine rote und vier dicke weiße Kerzen, also 23. Jeden Tag wurde eine neue Kerze angezündet – eine kleine für die Werktage, eine große für die Advents-Sonntage. Die Kinder wussten dadurch immer, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind.

Vom ersten Advent bis Weihnachten sind es jedes Jahr unterschiedlich viele Tage – nämlich 22, wenn Heiligabend auf den vierten Adventssonntag fällt, bis höchstens 28, wenn Heiligabend am Sonnabend nach dem vierten Advent ist. 1839 waren es 23. Im Jahr 2021 sind es 27 Kerzen, 2022 müssen es wieder 28 sein.

Der Adventskranz erobert die Welt

Erst um 1860 wurde der Kranz auch mit Tannengrün geschmückt und setzte sich in den evangelischen Kirchen und Privathaushalten bis Anfang des 20. Jahrhunderts allgemein durch. 1925 soll auch erstmals ein Kranz in einer katholischen Kirche in Köln gehangen haben.

Spätestens ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg findet man den Adventskranz in aller Welt und in allen möglichen Formen und auch Farben. Etwas Grundlegendes aber hat sich verändert: Er trägt nur noch vier Kerzen – für die Adventssonntage. Die restlichen Kerzen sind im Laufe der Zeit auf der Strecke geblieben, denn um mehr als 20 Kerzen unterzubringen, müsste ein Kranz einen Durchmesser von ein bis zwei Metern haben – wie eben ein Wagenrad.

Die Tradition lebt

Einen großen Originalkranz findet man heute noch im Rauhen Haus. Doch auch im Hamburger Rathaus und eben hier im Michel hängt einer. Doch sein prominentester Ort ist wohl der Deutsche Bundestag.

Der größte Wichern-Kranz wurde bis ins Jahr 2020 auf den Lüneburger Wasserturm in Niedersachsen gehievt. 1,5 Tonnen war er schwer und leuchtete in 56 Meter Höhe. Diese Tradition wurde aber beendet.

Der Altarraum – die Kirche in der Kirche

Der Altar im Michel ist 20 Meter hoch und wurde 1910 aus kostbarem Marmor gestaltet. An drei Stellen findet man wichtige Abschnitte aus dem Leben Jesus Christus. Zentral ist das Altarbild des Auferstandenen Jesus, darunter ein goldenes Relief mit der Darstellung des letzten Abendmahls. Oben der gekreuzigte Jesus.

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Der Altarraum im Michel – viel Lametta am Baum

Während der Weihnachtszeit schmückt eine riesige, gestiftete Nordmanntanne den Altarraum, geschmückt mit 900 Lämpchen, Strohsternen und goldenem Lametta, das immer wieder verwendet wird. Eine Kirche in der Kirche nennt mein Begleiter diesen Altarraum, und wenn du dich zum Kirchenraum hin wendest, verstehst du, was er meint.

In diesem Altarraum und vor dem zweiten Rundaltar in der Mitte waren für die Trauerfeier, so erzählt mir der Pastor, auch beispielsweise Loki und Helmut Schmidt, zuletzt auch der Hamburger Schauspieler Jan Fedder aufgebahrt.

Die Krippe ohne Jesuskind

Direkt vor dem Altarraum hat die Krippe ihren Platz mit Figuren der Hamburger Künstlerin und Puppenmacherin Barbara Runschke.

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Die Krippe im Michel – noch ohne Jesuskind

Das Besondere: Tatsächlich liegt das Jesuskind noch gar nicht in der Krippe. Erst beim Gottesdienst zum Heiligen Abend wird feierlich die Jesusfigur in die Krippe gelegt. Woher ich das weiß? Rate mal.

Auf der Empore

Und weiter ging´s mit der Führung: auf die Empore. Eigentlich sollte ich sagen: die Emporen, denn es sind tatsächlich vier. Egal, sie sind miteinander verbunden und wirklich beeindruckend. (Brav hängte ich immer wieder das dicke Absperrtau vor, zum großen Bedauern manch anderer Besucher.)

Von hier oben gibt es einen wundervollen Blick auf und in das Kirchenschiff. Auf dem linken Bild kannst du auch die „VIP-Lounge“ sehen, einen geschlossenen Raum mit großem Fenster zum Altar. Hier tagt beispielsweise der Kirchenvorstand.

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Die „VIP“-Lounge im Michel zu Hamburg
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Von der Empore: der Wichern-Adventskranz, der Altarraum mit Weihnachtsbaum und Krippe, die Kanzel

Die Emporen im Hamburger Michel haben durchaus Ähnlichkeit mit einem Theater: Wäre nicht der Blick ins Kirchenschiff, es könnte wirklich eines sein. Und tatsächlich sind die Konzerte mit Michaelis-Chor und Orgeln in der Hamburger St. Michaeliskirche berühmt, die Tickets heiß begehrt. So ein Konzert möchte ich gerne einmal erleben.

Die 5 Orgeln

Fantastisch sind auch die Orgeln im Hamburger Michel. Insgesamt 5 Orgeln gibt es in der Michaeliskirche. Drei davon kannst du im Kirchenschiff entdecken, eine ist im Himmel, eine in der Erde:

  • Die Große Orgel (Steinmeyer-Orgel) auf der Westempore ist von 1962. Sie hat 5 Manuale, Pedal, 86 Register und 6.674 Pfeifen.
  • Das Fernwerk im Dachboden über der Großen Orgel hat 17 Register und 1.222 Pfeifen. Über einen ca. 20 Meter langen Schallkanal werden die Töne zur Deckenrosette in der Mitte der Kirchendecke in 26 Metern Höhe geführt. Die Orgel wird vom Zentralspieltisch aus gespielt. Da kommt die Musik wahrlich von oben.
  • Die Konzert-Orgel (Marcussen-Orgel) auf der Nordempore ist von 1912. Sie wurde zweimal renoviert, hat 2 Manuale, Pedal, 42 Register und 2.671 Pfeifen.
  • Die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel auf der Südempore wurde Mitte November 2010 eingebaut. Sie ist mit 676 Pfeifen ausgestattet und hat 13 Register auf 2 Manualen und Pedal.
  • Die Kryptaorgel Felix Mendelssohn Bartholdy ist ein romantisches Instrument der Firma Striebel von 1917. Sie hat 2 Manuale, 7 Register und 435 Pfeifen.

Vom Zentralspieltisch aus sind die Steinmeyer-Orgel, die Marcussen-Orgel und das Fernwerk gemeinsam spielbar, was ideal für symphonische Orgelmusik ist.

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Pfeifen der Steinmeyer-Orgel im Michel

Die Orgeln der St. Michaeliskirche reizten schon viele bekannte Orgelspieler der Welt, um einmal darauf zu spielen.

Fazit

Mein privater Begleiter durch den Michel konnte mir noch so manches andere zu dieser außergewöhnlichen Kirche sagen. Aus jeder Bemerkung konnte ich aber heraushören, was er auch sagte: Der Michel ist seine Heimat.

Nach ca. einer Stunde, in der ich wirklich viel gelernt und mich bestens unterhalten habe, ging es für mich weiter zu meinem nächsten Ziel.

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Der Michel spiegelt sich

Der Hamburger Michel ist einfach ein Muss bei einem Hamburg-Besuch. Wenn du noch nicht drin warst, dann aber nichts wie hin bei deinem nächsten Besuch.

Oder kennst du diese berühmte Hamburger Kirche schon? Erzähl mir doch bitte, wie sie dir gefällt. Und warst du auch oben auf dem Turm? Davon erzähle ich dir beim nächsten Mal.

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Noch ein paar Tipps:

Hamburg Card:

Die Hamburg Card für freie Fahrt mit Bus, Bahn und Hafenfähren und Rabatt bei über 150 touristischen Angeboten, u. a. auch bei Turm und Krypta des Hamburger Michel. Auch als App erhältlich.

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Mehr Informationen zu Hamburg findest du auch hier.

Zwei Kalender:

Hamburg in der Abenddämmerung 2022 (édition noire, DIN A3 Wandkalender, 42×29.7cm, Querformat): Ein fotografischer Rundgang durch das abendliche … Kalender: Olaf Schulz Verlag – Kalender)*

Hamburg für Genießer (Premium, hochwertiger DIN A2 Wandkalender 2022, Kunstdruck in Hochglanz)*

Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand in freundlicher Kooperation mit Hamburg.de. Der Inhalt des Beitrages entspricht meiner eigenen Wahrnehmung und ist unbeeinflusst.

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4 Comments

  • Sieglinde Graf

    Ein sehr schönes Portrait vom Michel hast Du hier erstellt. Noch dazu mit solch fachkundiger Führung. So etwas ist ja immer ein besonderer Genuss. Ich war schon mal Abends vor dem Michel gestanden, aber drin war ich noch nie. Nächstes Mal gehe ich natürlich hinein und hoffe den gleichen freundlichen Führer zu finden…
    Die Geschichte vom Rauhen Haus kenne ich allerdings und Wichern war ja der Begründer der Inneren Mission in Deutschland, dem heutigen Diakonischen Werk der evangelischen Kirche. Er hat sicher zu seiner Zeit sehr vieles Gutes geleistet und auch den Staat mit in die Pflicht genommen für Kinder und Familien.
    Nun bin ich gespannt, was Du uns über die Turmbesteigung berichten wirst.
    Frohe Weihnachten wünscht Dir sehr herzlich, Sieglinde

    • Karen

      Liebe Sieglinde,
      beim nächsten Hamburg-Besuch musst du wirklich unbedingt unbedingt in den Michel hinein, wunderschön. Und der besondere Glücksfall war für mich, gerade an dem Tag, ein richtig erhebender Moment, für den ich sehr dankbar bin.
      Du kennst dich ja sehr gut aus, toll. Ich hatte Wichern bis dahin noch nicht gekannt. Schön, dass man immer wieder Neues lernen kann, wenn man offen dafür ist.
      Auch dir und deiner Familie wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest.
      Liebe Grüße
      Karen

  • Heidemarie Lücke

    Hallo Karen,
    mit ganz viel Freude habe ich Deinen Besuch im Hamburger Michel verfolgt und bin begeistert. Vor Jahren war ich mal im Michel und nach Deinem Bericht muss ich feststellen, dass ich eigentlich so gar nichts wusste.
    Mit einem herzlichen Dankeschön und eine schöne, verbleibende Adventszeit für Dich und bleib gesund.
    Heidi

    • Karen

      Liebe Heidi,
      das freut mich aber, dass dir mein Beitrag über den Michel gefällt. Ich war auch ganz geflasht, davon zehre ich noch immer.
      Vielen Dank für deinen lieben Kommentar und eine schöne Advents- und Weihnachtszeit auch für dich.
      LG Karen

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