Mallorcas zielgenaue Steinschleuderer – Mallorca ist steinreich Teil 1
Mallorca ist reich an Naturschönheiten. Es gibt eine herrliche Landschaft: Küste, Berge, Meer, Wälder, Licht und Weite und Vieles mehr. Und natürlich Steine. Steine gibt es auf Mallorca mehr als genug. Das können alle Besucher, ob Touristen oder Bewohner, nur bestätigen. Wenn es also nur um Steine ginge, könnte man sagen: Mallorca ist steinreich.
Was aber wird und wurde alles mit diesem Übermaß an Steinen angestellt? In diesem Beitrag geht es um Mallorcas zielgenaue Steinschleuderer, Foners Balears, die der Inselgruppe Balearen den Namen gaben und die früher einmal sehr begehrte Söldner waren.
Die Balearen: Steinschleuderer
Kaum ein Tourist weiß, dass die Felsbrocken hier traditionell auch geschleudert werden und die Inseln nach ihnen benannt wurden: Das Wort Balearides bedeutet soviel wie Steinschleuderer. Ursprünglich wurde geschleudert, um Tiere zu erlegen oder römische Schiffe zu versenken. Heutzutage ist es ein beliebter Wettkampfsport.
Wie alles begann: das große Schleudern
Die Urbevölkerung der Balearen ist vermutlich von Festland-Spanien aus eingewandert; erste Spuren menschlicher Besiedlung stammen aus dem 3. Jahrtausend vor Christus, wie du in der Geschichte Mallorcas auf dem Blog nachlesen kannst.
Bereits in dieser Zeit benutzten die ersten Jäger Schleudern sowie Steine von ei- oder kugelähnlicher Form als Projektile.
Die Steinschleuder der balearischen Schleuderer sah aber nicht so aus, wie wir das heute kennen, sondern in etwa so wie auf dem Bild rechts. Schließlich gab es noch keine Gummischnüre. Es wurde eben geschleudert.
Wie sieht die Schleuder aus?
Sie ist lediglich eine einfache, mehrfach verflochtene Schnur und kann aus Wolle, Tierhaaren oder Pflanzenfasern, meistens wohl Agavenblättern, bestehen. In einem eingearbeiteten Lederflecken wird das Geschoss festgehalten, das mit der Schleuder abgefeuert wird.
Wenn ein Foner, so heißen die balearischen Schleuderer, geübt ist, kann er bis zu 12 Geschosse pro Minute abschleudern. Damit ist er schneller als jeder Bogenschütze.
Astrid zu Stolberg, sie lebt auf Mallorca in Binissalem und kennt sich bestens aus, hat mir dankenswerterweise einen Link geschickt, auf dem man sehr gut nachvollziehen kann, wie das aussieht. Der ist leider nicht mehr verfügbar, aber in ihrem Buch, Einblicke Mallorca*, schreibt sie darüber.
Schon Kinder übten sich
Dass das Schleudern vielen Mallorquinern in die Wiege gelegt wurde, belegt eine alte Geschichte, die besagt, dass früher den Kindern ihr Essen in die Bäume gelegt wurde. Nur wer es treffen konnte, bekam etwas zu essen.
Aus meiner Kindheit kenne ich durchaus auch das Wettschießen mit Katapulten: Wer trifft am besten? Aber wie gesagt, auf Mallorca sahen die anders aus.
Zur Jagd und Gefahrenabwehr
Später wurde diese Technik nicht nur für die Jagd nach Nahrung, sondern auch als Verteidigungswaffe eingesetzt. Die Treffsicherheit war schon damals hoch. Weiten von mehr als 150 Metern sind durch Rekonstruktion und Versuche belegt. Die Projektile hatten ein Gewicht zwischen 100 und 500 Gramm.
Etwa 1.500 Jahre später sausten den Angreifern dann auch Geschosse aus Bronze oder Eisen um die Ohren. Es war die Zeit der Talayot-Kultur, der balearischen Ausformung der Bronze- und Eisenzeit. Eine solche Talayot-Kultur habe ich besucht und beschrieben: Auf in die Steinzeit zum Puig de Sa Morisca.
Zielgenau und schlau
Die große Treffsicherheit bekamen auch die Römer zu spüren, die die Inseln im 2. Jahrhundert vor Christus ansteuerten. Als Begrüßungscocktail gab es einen vernichtenden Steinhagel, der die römischen Schiffe zu Kleinholz machte. Das hätten die wissen können, denn das Wurfgeschick der Insulaner war bereits gut bekannt. Mallorcas zielgenaue Steinschleuderer hatten sich schon einen gewissen Ruf erschleudert.
Die Abwehr funktionierte folgendermaßen: Durch eine clevere Anordnung von zwei Wurfgruppen bildeten die Werfer einen Abwehrriegel, wie ein steinerner Vorhang. Der Gegner hatte kaum eine Chance, unverletzt hindurchzukommen. Die Wucht der Geschosse war so verheerend, dass einem Getroffenen der Kopf abgerissen werden konnte.
Niederlage, aber neuer Job für die Steinschleuderer
Auf längere Sicht aber wussten sich die Römer durchzusetzen. Sie schützten ihre Schiffe mit Fellen, trieben die Verteidiger mit Wurfspießen zurück und eroberten die Inseln.
Durch ihre Schleuderkünste aber wurden die Besiegten – nachdem der erste Zorn verraucht war – zu gut entlohnten Söldnern in der römischen Armee.
Heute gibt es Steinschleuder-Wettbewerbe
Seit 1980 gibt es auf den Baleareninseln mehrere Vereine, die diese Tradition bewahren. Sie kämpfen aber nicht mehr gegen Eindringlinge, gut zu wissen für Touristen.
Bei den jährlich stattfindenden Wettkämpfen wird wieder geschleudert, was die Steine hergeben. Aber es geht dabei jetzt weniger furchterregend zu, dafür sorgt ein strenges Regelwerk.
Modernes Regelwerk
Bei dem Wettkampf werden die Steine auf eine Zielkonstruktion geschleudert. Sie besteht aus einem 1,20 Meter breiten Holzviereck mit einem Metallkreis von 50 cm Durchmessern im Zentrum, welcher die eigentliche Zielscheibe ist.
Entscheidend ist neben Zielgenauigkeit und Distanz auch die korrekte Durchführung:
- Der Stein muss vor dem Abschuss mindestens zweimal gedreht werden.
- Die Schleudern müssen aus pflanzlichen oder tierischen Materialien gefertigt sein: zum Beispiel Agave, Leinen, Hanf, Leder, Haar oder Wolle.
- Schleudern aus metallischen und synthetischen Stoffen sind nicht zulässig.
- Als Geschosse müssen natürliche Steine benutzt werden, ohne Gewichtslimit. Meist wiegen sie jedoch so um die 250g.
Mallorca ist steinreich Teil 1- Fazit
Eine sehr gute Steinverwertung war das, so scheint es mir. Mallorcas zielgenaue Steinschleuderer haben ganze Arbeit geleistet.
Aber auf Mallorca wurde und wird natürlich noch viel mehr mit den Steinen gemacht, als sie nur zu schleudern. Das ist ja inzwischen auch ein wenig aus der Mode gekommen.
Lies auch Mallorca und die Trockensteinbauten, das ist der zweite Teil von Mallorca ist steinreich. Da geht es um die Trockensteinbauten auf Mallorca, alles Stein auf Stein und ohne Mörtel.
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