Volkstheater und Isarphilharmonie: 2 neue Highlights in München
Sie wurden schon die Wunder von München genannt. Warum? Sowohl das neue Volkstheater als auch das Ausweichquartier für die Philharmoniker, die Isarphilharmonie, konnten den Zeitplan und das Budget für ihren Neubau einhalten. Pünktlich und ohne dass es teurer wurde als geplant: Das kann schon als Wunder bezeichnet werden. Und jetzt gibt es 2 neue Highlights in München: Volkstheater und Isarphilharmonie.
1. Das neue Volkstheater im Schlachthofviertel
Mitten im Schlachthofviertel entstand innerhalb von drei Jahren und unter Einhaltung der geplanten Kosten ein zur Umgebung passender roter Ziegelbau mit einer Nutzfläche von ca. 20.000 Quadratmetern.
Dreh- und Angelpunkt ist die Hauptbühne mit einem Zuschauerraum für bis zu 600 Personen. Außerdem gibt es zwei weitere Bühnen, die Platz für 200 und 100 Gäste bieten. Damit zählt das Volkstheater zu den größten Bühnen Münchens und den modernsten in Deutschland.
Moderner Ziegelbau
Der moderne Ziegelbau mit den auffallenden Bögen, kreiert von den Stuttgarter Architekten von LRO (Lederer Ragnarsdóttir Oei), wirkt, als hätte er schon immer an diesem Ort gestanden, wo bis Anfang der 2000er-Jahre noch Schlachtvieh gehandelt wurde.
Passend zur Umgebung wurde bei der Premiere des Stücks Unser Fleisch, unser Blut dann auch gleich am Eröffnungswochenende Fleischkonsum und die Massenschlachtung von Tieren thematisiert. Das wäre nicht so meins gewesen.
Blickfang und von Weitem sichtbar ist der 30 Meter hohe Bühnenturm mit der roten Kappe und der Aufschrift: Volkstheater. Der Bau schließt sich direkt an die vorhandene Bausubstanz des Schlachthofviertels an und passt sich mehr oder weniger dezent ein: kein Fremdkörper, sondern Ergänzung. Praktisch: an einem der Altbaufenster links auf dem Bild gibt es zur Zeit eine Corona-Teststelle.
Anregende Nachbarschaft
Das neue Volkstheater passt überhaupt richtig gut in dieses für München immer noch eher alternative Viertel, in dem es mit dem Wirtshaus im Schlachthof, dem Bahnwärter Thiel und der Alten Utting bereits eine ganze Reihe ungewöhnlicher Stätten gibt.
Atmosphärisch passend ist es auch, dass die Architekten die Spuren der Zeit auf den Rückwänden der denkmalgeschützten angrenzenden Altbauten unangetastet und ungeschönt ließen. Diesen Kontrast erlebst du im Innenhof, in dem es im Sommer auch einen Biergarten geben wird. Das schafft ein ziemlich einzigartiges Feeling. Hochglanz gibt es schließlich genug in dieser Stadt.
Das Restaurant Schmock im Innenhof bietet israelisch/arabische Küche an, schau mal im Beitrag.
Innen cool in Pastell
Im Inneren des Theaters dominieren und überraschen Wände in pastelligen Blau-Grün-Gelb– und sogar Brauntönen. Die Decke ist in Nachtblau gestrichen. Vorbild für die Farbgestaltung des Foyers sind die Wandfarben in Goethes Haus in Weimar.
Der Spielplan beinhaltet dauerhaft die zwei weiteren Premieren des Eröffnungswochenendes: Edward II. von Christopher Marlowe unter der Regie von Christian Stückl und das High-School-Musical Gymnasium, schräg, lustig und energiegeladen laut Programmheft. Immer dabei ist auch der Brandner Kaspar.
Da bekomme ich wirklich wieder Lust auf einen Theaterbesuch. Und du?
2. Die Isarphilharmonie in Sendling
Das 2. Highlight, das ich dir vorstellen möchte, ist die Isarphilharmonie.
Der Gasteig, Münchens renovierungsbedürftige Philharmonie, hat sein Übergangsquartier in Sendling auf dem Gelände der Stadtwerke an der Hans-Preisinger-Straße 8 (HP8) bezogen. Ganz in der Nähe: die Münchner Großmarkthalle, das Heizkraftwerk, der Mittlere Ring, auch Wohnviertel liegen gegenüber, begrenzt wird das Areal vom Isarkanal. An einer belebten Kreuzung und mittendrin im Leben.
Namensgebung per Wettbewerb
Jetzt also die Isarphilharmonie. Das hört sich an wie Elbphilharmonie. Der Name Elbphilharmonie ist uns allen ja inzwischen geläufig. Bei meinem Wochenende in Hamburg war der Besuch ein Muss und der Anblick ist faszinierend.
Wie kommt es also zu dem Namen? Was haben Isar- und Elbphilharmonie gemeinsam? Haben sie überhaupt etwas gemeinsam? Antwort:
- Sie tragen zum einen den Fluss ihrer Stadt im Namen.
- Zum anderen wurden bei beiden Bauvorhaben der international renommierte Klangexperte Yasuhisa Toyota und sein Büro Nagata Acoustics hinzugezogen. Diese haben für eine hervorragende Akustik gesorgt.
Im Übrigen wurden die Namen für Konzertsaal und Gelände ausgewählt von den Münchnern selbst: Bei einem Wettbewerb gingen Tausende Vorschläge ein, darunter viele gleichlautende. Die beliebtesten: HP8 als coole Abkürzung der Adresse Hans-Preißinger-Straße 4-8. Diese Abkürzung gilt nun für alles, was sich auf dem Gelände befindet. Unangefochtene Siegerin für die Bezeichnung des neuen Konzertsaals war die Isarphilharmonie.
Wo liegt Sendling?
Sendling ist ein dicht bebauter historischer Stadtteil an der und um die Isar. Der Fluss mit dem Flaucher ist ein sehr beliebtes Freizeitziel in der Stadt, daneben gibt es historische Kirchen und natürlich die Großmarkthalle, der drittgrößte Umschlagplatz für Obst und Gemüse in Europa. Diese schließt sich ans Schlachthofviertel an. Die beiden neuen Theater in München liegen also gar nicht so weit auseinander.
Alte Trafohalle als Foyer der Isarphilharmonie
Was hat sie nicht schon alles hinter sich, diese alte Backsteinhalle: Errichtet von 1926 bis 1929, sollte sie als Lagerhalle des benachbarten Heizkraftwerks helfen, den Energiedurst der aufblühenden Industriestadt München zu stillen.
Im Zweiten Weltkrieg war sie deswegen Ziel der Alliierten und büßte infolge eines Bombentreffers ein ganzes Geschoss ein. Trotzdem wurde sie später wieder Trafohalle, bis solche nicht mehr gebraucht wurden. Anschließend teilten sich Kreative, Fahrradhändler und andere Untermieter die denkmalgeschützte Halle für den jeweiligen Bedarf.
So schön aufgeputzt, so für alle nutzbar, wie sie es ab jetzt sein wird, war sie allerdings noch nie. Als Herzstück des Ausweichquartiers für den Gasteig vereint die denkmalgeschützte Halle nun vieles unter ihrem historischen Glasdach: das Foyer für die Isarphilharmonie, eine riesige Bibliothek, eine goldene Bar, ein Café, Ticketschalter, Infodesk für die VHS und vor allem – eine einzigartige, lichte Atmosphäre.
Industial Chic
Die Spannung war groß, doch als wir in die Halle treten, ist der erste Gedanke: Huch, die ist ja noch gar nicht fertig! Gelbe und rote Markierungen verlaufen etwas ausgetreten auf dem Betonboden, wie man sie von Baustellen kennt. Aber genau so soll es sein.
Die Halle bietet einen wunderbar hellen, offenen Empfang mit viel Luft über den Köpfen, lässig erhaltenem industriellen Charme und endlosen Metern von Galerien, um hinunterzublicken.
Das war auch das Ziel: den Charme des Industriebaus zu erhalten. Deshalb sind die alten Markierungen auf dem Boden und an eisernen Türen erhalten geblieben, Leitungen verlaufen sichtbar an den Wänden, ein voll funktionsfähiger gelber Lastenkran schwebt unter der Decke und die Galerien in der Halle haben eiserne Abgrenzungen, es wirkt ein bisschen wie auf einer großen Autofähre. Zweckmäßig, roh, industriell.
Dahinter die Black Box
Hinter dem alten Gebäude erhebt sich ein neuer schwarzer Würfel.
Das ist der neue Gasteig-Konzertsaal, verbunden nur durch eine gläserne Verbindungsspalte, die Fuge. In dieser Fuge führen zwei auseinanderstrebende Treppen – Himmelsleitern genannt – direkt in die Ränge der neuen Isarphilharmonie.
Eine schwarze hölzerne Wandverkleidung lässt den Saal wirken wie eine Black Box, eine schwarze Schachtel, die den Blick der Besucher auf das Orchester und das Podium aus hellem Holz leiten soll.
Auch die Sitze sind schwarz, alles ist dunkel, nichts soll die Aufmerksamkeit der 1.900 möglichen Gäste ablenken. Allein zwei helle Treppen führen in den Zuschauerraum hinein. Sehr stylish!
Volkstheater und Isarphilharmonie: 2 neue Highlights in München
Wir hatten einen wunderbaren Abend bei Musik von Leonard Bernstein, Schostakowitsch u. a. Der Dirigent Wayne Marshall brachte Jazz und Klassik zu einer heiteren Mischung zusammen, bei der auch die Saxophonistin Jess Gillam ihr Können zeigen konnte. Das Publikum jedenfalls war begeistert und wollte die Musiker kaum gehen lassen.
Was hat uns am besten gefallen? Neben der Musik war das wohl das gewollt Unperfekte des Ortes. Gerade München, das den Glanz so liebt, kann diese neue Lässigkeit, die beide Theater ausstrahlen, gut gebrauchen. Volkstheater und Isarphilharmonie sind tolle Ergänzungen für die Münchner Kulturlandschaft.
Warst du schon in einem der neuen Theaterhighlights in München? Wie hat es dir gefallen? Ich freue mich über jeden Kommentar.